Auch in Krisenzeiten in Digitalisierung und Zukunftstechnologien investieren

„Ich bin zuversichtlich, dass wir wieder niedrigere Gas- und Strompreise bekommen, weil die Regierung wirksame Maßnahmen ergriffen hat“, machte SWU-Chef Klaus Eder rund 270 Unternehmerinnen und Unternehmern bei der gut besuchten Jahresveranstaltung der „initiative ulm digital“ im Wiley Club in Neu-Ulm Mut. Zuversichtlich machte auch das Schwerpunktthema „Quantentechnologie“, schließlich fließen in den nächsten fünf Jahren 250 Millionen Euro an Fördermitteln nach Ulm.

Die Jahresveranstaltung der Unternehmerinitiative ulm.digital war zweigeteilt. Geplant war das Schwerpunktthema „Quantencomputing“ mit Ulm als deutscher Hauptstandort. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den Folgen habe man umgeplant und eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde zusammengestellt, erklärte Vereinsvorsitzender Heribert Fritz bei der Begrüßung. „Müssen wir weiter viel Geld in neue Technologien stecken, wenn gleichzeitig die Finanzmittel an allen Ecken und Enden fehlen?“ fragte Fritz. Auf seine rhetorische Frage gab es eindeutige Antworten.
„Wir brauchen digitale Visionäre“, lobte die Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger den Verein für seine Arbeit und Projekte und betonte im Zusammenhang mit neuen Technologien wie Quantencomputing, dass solche Entwicklungen „immer einen Schub für die Regionen geben“. Auch seien in der Geschichte immer schon „mutige Entscheidungen wichtig gewesen, um Krisen zu überwinden“. Junge Start Up-Unternehmen „dürfen sich natürlich auch gerne in Neu-Ulm ansiedeln“, warb sie für den Standort auf bayerischer Seite.

250 Millionen Euro an Fördermitteln fließen nach Ulm

Die Keynote, also den Hauptvortrag zum Thema „Quantenphysik“ hielt Professor Dr. Joachim Ankerhold, Vizepräsident für Forschung an der Universität Ulm und weltweit gefragter Experte für Quanten Systeme und Festkörperforschung. Ankerhold erklärte den Anwesenden das komplexe Thema mit einfachen Beispielen. Die Quantenphysik sind Wellenbewegungen und das physikalische Fundament der digitalen Revolution. Sie beschreibt die Naturgesetze im atomaren und subatomaren Bereich. Ohne die Quantenphysik gäbe es weder Computer noch GPS, Laser, Solarzellen oder auch Mobilfunk, TV, Radio, moderner Chemie und medizinischer Diagnostik wie das MRT. Ankerhold: „Quantenphysik ist bereits unser Alltag“. Sie ist beispielsweise bei der sicheren Übertragung von großen Datenmengen für Militär, Banken und Politik wichtig. Auch das Auto sei vollgestopft mit auf Quantenphysik beruhender Elektronik. Die Quantenphysik werde das tägliche Leben immer stärker beeinflussen und sei mittlerweile die bedeutendste wissenschaftliche Theorie für das heutige Leben. Genau aus diesem Grund würden die USA, China und Europa, aber auch Konzerne wie Amazon und Google Milliarden Dollar in die Forschung der Quantenphysik investieren. „Es geht darum, die Standards zu setzen und vorn dabei zu sein – und diese beispielsweise nicht China zu überlassen“.
Für die Quantenforschung, besonders im Bereich Quantencomputing und – sensorik sei Ulm „ein führender Standort in Deutschland, in Europa und in der Welt“, informierte Professor Ankerhold, daher fördere Deutschland den Standort auf dem Eselsberg „in den nächsten fünf Jahren mit rund 250 Millionen Euro“. Quantencomputing und Quantensensorik beeinflusse die Chemie, Pharmazie, Logistik und die Künstliche Intelligenz, da riesige Datenmengen schnell verarbeitet werden können. Über Quantensensorik könne man beispielsweise bald über mikroskopische DNA-Schnitzel eine Tumorentwicklung in einer Zelle erkennen, lange bevor ein Tumor im Körper erkennbar ist. Nun geh es darum in Ulm und an der Universität, die nötigen Infrastrukturen aufzubauen, so Ankerhold an und äußerte sich begeistert „über die unglaublich aktive Start Up-Szene“, die natürlich auch durch die gewaltigen Fördermittel für die Region angelockt und ermutigt würden. Mit dem Mut und der Visionen der Erbauer des Ulmer Münsters werde in Ulm auch das Thema Quantencomputing Großes leisten, schloss Professor Ankerhold seinen Vortrag unter großem Beifall.

Diskussionsrunde macht Mut

Zumindest weitgehend zuversichtlich äußerten sich – moderiert und befragt von Ulrich Becker, Chefredakteur der SÜDWEST PRESSE – die Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion, bei der es um aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen und Probleme ging. „Die Lage trübt sich ein. Die Logistik ist ein Indikator der Wirtschaft“, prognostizierte Harald Seifert, Geschäftsführer des gleichnamigen Ulmer Logistikunternehmens. Der Gaspreis für die Lkw sei teilweise auf das Zehnfache angestiegen, die Lagerstandorte seien voll und die Fachkräfte fehlten auch. Er bezweifelte, ob ein „Kinderbuchautor“ , gemeint ist Wirtschaftsminister Habeck, der richtige Mann an wichtiger Position in der aktuellen Krise sei und kritisierte, dass Atomkraftwerke keine längeren Laufzeiten bekämen.
„Deutschland und die Regierung machen vieles richtig“, entgegnete Klaus Eder, Geschäftsführer der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm. Der Ulmer ist Mitglied im Expertenrat von Wirtschaftsminister Habeck und daher „zuversichtlich, dass wir bald wieder niedrigere Preise bekommen werden“. Die hohen Gaspreise seien zustande gekommen, weil im Sommer ganz Europa hektisch Gas eingekauft hat. „Die große Nachfrage hat den Preise nach oben gebracht“. Der aktuelle Rückgang des Gaspreises sei nun auf die hohen Herbsttemperaturen zurückzuführen. Er verteidigte auch den Atomausstieg, der vor zehn Jahren gesetzlich festgelegt worden war. Der Betrieb der Atomkraftwerke sei per Gesetz zeitlich, die letzten drei zum 31. Dezember 2022, auf den Ausstieg ausgerichtet. Daher liefen die Betriebsgenehmigungen aus und gingen die Brennstäbe zur Neige. Diese müsste man im Osten, vermutlich in Russland einkaufen, was auch nicht sinnvoll sei. Außerdem wisse man immer noch nicht, wohin mit dem Atommüll. Und schließlich habe der Strom aus den Atomkraftwerken nur minimalen Einfluss auf den Strompreis, der bei längeren Laufzeiten „nur ein bis vier Prozent“ günstiger wäre.
Insgesamt helfe nur ein schneller Ausbau von Erneuerbarer Energie“, betonte der SWU-Chef. Um das zu erreichen, müssten die Betriebs- und Baugenehmigungen entschlackt und vereinfacht werden. „Photovoltaik muss für alle Dächer möglich sein. Ohne Gewerbeschein und Steuergesetze“, sagte er unter großem Beifall.
Aus der Sicht der Sparkasse Ulm berichtete der Vorstandsvorsitzende Dr. Stefan Bill über aktuell „keine signifikanten Insolvenzen“ und machte den hiesigen Unternehmern „ein großes Kompliment“. Allerdings sei die Lage nach Pandemie und mit Energiekrise, Krieg, problematischen Lieferketten und Fachkräftemangel „alles andere als bequem“. Seiner Ansicht nach werde die „Bürokratie mehr und mehr zum Problem“. Als Beispiel nannte er die Photovoltaik-Industrie. „Da waren wir vorne dran und haben es nicht durchgezogen“. „Insgesamt sind wir zu langsam. Die Unternehmen wollen schneller, können aber nicht“, stellte Dr. Bill unter Applaus fest.
„Der Mittelstand ist politisch bereit, in die Digitalisierung zu investieren“, sagte Andreas Baresel, Geschäftsführer der Datagroup SE, „aber Energieprobleme und das Umfeld machen derzeit Schwierigkeiten“. Seiner Meinung nach „müssen Wertschöpfungsketten neu gedacht werden, und die D ezentralisierung wird wichtiger“. Die Konsequenz: „Das müssen wir neu einpreisen und neue Themen sortieren“.
Ralph P. Blankenberg, Vorstandssprecher der Volksbank Ulm-Biberach, zeigte sich optimistisch und kritisierte die „German Angst“. Jetzt schon werde von Rezession gesprochen. Dabei bedeute Rezession ein Minuswachstum innerhalb von drei folgenden Quartalen. Blankenberg: „Somit haben wir frühestens im nächsten Herbst eine Rezession. Aber jeder redet schon davon, als hätten wir jetzt schon eine Rezession“. Bei seinem Besuch der weltgrößten Baumesse BAUMA in München habe er nur zufriedene Unternehmer angetroffen. „Wo kommen wir her?“ fragte der Bankchef, die Unternehmen hätten in den vergangenen zehn Jahren ihre Liquidität teilweise verdoppeIt, die meisten Unternehmen hätten glänzend verdient. „Ich will Optimismus verbreiten“, sagte Blankenberg und ergänzte: „Wir kommen da wieder gut raus“.
Das sieht auch der Ulmer Universitätspräsident Professor Dr. Michael Weber. „Wir müssen in die Zukunftsthemen investieren, auch wenn es finanziell schwerfällt. Sonst verlieren wir Wissen und Köpfe“. Nun sei es wichtig, dass in Ulm die Grundlagenforschung und Start Ups ausgebaut werden. „Bei der Quantenphysik und der Batterieforschung sind wir auf einem guten Weg, weil wir dazu auch die richtigen guten Leute haben“, was auch Topbewertungen bei verschiedenen Rankings belegten. Allerdings macht Weber eine bundesdeutsche Entwicklung Sorgen: „Die Basis-Finanzierung für die Wissenschaft schrumpft“.
„Wir haben uns die letzten 20 Jahre überlegt, was wir nicht wollen“, klagte der Ulmer OB Gunter Czisch, der sich auch gegen übertriebenes Anspruchsdenken wandte. In der aktuellen Situation sollte „jeder seine Ansprüche anpassen“. Mit Blick auf die 250 Millionen Fördergelder werde die Stadt „Brücken bauen zwischen der Wissenschaftsstadt und dem Donautal“. Insgesamt werde die Stadt die Lage meistern. „Ich bin echt zuversichtlich“, machte auch Czisch Mut.
Auch die abschließende Frage, wo die Unternehmen und Wirtschaft der Region im Frühjahr 2023 stehen, wurde positiv beantwortet. „Super und vorn dran“, so Harald Seifert. „Sehr gut, weil wir uns mit den wichtigen Themen beschäftigen“, meinte Andreas Baresel. „So wie jetzt“, erklärte Prof. Michael Weber, weil in der Wissenschaft in längeren Zeiträumen gedacht und gearbeitet werde. Optimistisch und zuversichtlich äußerten sich auch die Chefs der Geldinstitute, Ralph P. Blankenberg und Dr. Stefan Bill, ebenso wie der Ulmer OB Gunter Czisch und Klaus Eder versprach: „Es gibt keine Versorgungskrise und wir kommen gut durch den Winter“.
Nach der informativen Podiumsdiskussion diskutierten die Besucherinnen und Besucher in kleiner Runde bei kalten Getränken und Köstlichkeiten aus der Wiley Club-Küche weiter und knüpften zu den stilvollen Klängen des Lea Knudsen/Joe Fessele/Norbert Streit-Trio neue Kontakte.