Handel und Gastronomie sind am Vortragsabend 10 x 10 Digital.Konkret des Vereins „initiative.ulm.digital“ in der Sparkasse Ulm im Mittelpunkt gestanden. Gastronomen und Händler informierten die Zuhörer vor Ort und im Stream, welche Wirkung die digitale Transformation in ihren Betrieben hat.
Nach eineinhalb Jahren Pause fand am Dienstagabend erstmals wieder eine Präsenzveranstaltung der initiative.ulm.digital in der Sparkasse Ulm mit einer begrenzten Anzahl von 60 Zuhörerinnen und Zuhörern statt. Die jeweils zehnminütigen Impulsvorträge wurden aber auch im Internet live übertragen, was 130 Interessierte nutzten. Der Verein wolle in Sachen Digitalisierung Mut machen und motivieren, sagte der Vorsitzende Heribert Fritz, der hervorhob, dass in den vergangenen Jahren viele Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft entstanden seien.
Im ersten Vortrag informierte Henning Krone, seit einigen Monaten Geschäftsführer der citysens GmbH, einer Firma, die Komplettlösungen im Smart City-Sektor und für IOT anbietet, über die aktuellen Messungen der Besucherfrequenz in der Ulmer City mit der Technologie LoRaWan. „Das ist keine Überwachung, sondern eine Entscheidungshilfe für die Besucher in der Stadt“, betonte Krone. Gemessen wird an acht Standorten. Alle Daten seien geheim und verschlüsselt und zudem immer sichtbar auf der Homepage der Stadt Ulm. Auf der Homepage der Stadt sind „Wolken“ auf dem Stadtplan zu sehen, die die jeweilige Besuchermenge anzeigt. Der Besucher kann dann entscheiden, ob er diesen oder jenen Bereich aufsucht oder meidet. Diese Technologie sei auch für Händler interessant. Laut Krone lässt es sich so beispielsweise messen, ob und wie viele Kunden vor einem Schaufenster stehen bleiben, etwa bei Rabattaktionen oder aufwändigen Dekorationen.
Karin Krings, Hotelchefin und örtliche DEHOGA-Vorsitzende, erläuterte, dass „die Pandemie die Digitalisierung im Hotelbereich beschleunigt hat“. Buchungen, Bestellungen, Lieferungen, Rechnungseingang, Konten oder auch die Lohnbuchhaltung liefen nun online. Natürlich seien auch die Dienstpläne digitalisiert. In ihrem Hotel „Goldenes Rad“ erhielten die Gäste schon kurz nach der Buchung eine Gästemappe mit Online-Checkin und einer Bewertungs-E-Mail nach der Abreise. Diese Mails und auch Newsletter seien für das Hotel für die Gästebindung wichtig, würden aber von den Gästen nicht so gerne gesehen, bekannte Karin Krings. „Trotz aller Fortschritte bleibt der Service im Hotel aber Dreh- und Angelpunkt“, sagte die Hotelchefin, denn „wir sind Gastgeber auch in einer digitalen Welt“.
Mike Klamser, Chef des gleichnamigen Sportfachgeschäfts in Ulm, berichtete von den Bemühungen, die Portale für Verleih, Shop und Rechnungen seines Unternehmens auf einem Portal zu vernetzen. Sein Geschäft werde auf Instagram und Facebook zudem stark beworben. Laut Klamser sind große Plattformen für kleine Händler „sehr kritisch zu sehen wegen der hohen Plattformkosten“. Eine interessante Lösung für lokale Händler sei zum Beispiel das Portal „neighbourshop.com“, bei dem der Kunde auf einen Blick sieht, in welchem örtlichen Geschäft ein gesuchtes Produkt zu finden ist. Man kann dann online oder direkt vor Ort einkaufen. Sport Klamser bietet digital vor allem viel Service – vom Bezahlvorgang bis zum Ski-Service. Sein Kredo daher: „Mit digitaler Kompetenz lokal stark werden und im Lokalen sichtbar bleiben“. Wichtig bleibt für den Sporthändler aber auch: „Gut beraten und Mensch bleiben“.
Dr. Günther Helm, Geschäftsführer der Müller Handels GmbH & Co.KG Ulm, gab als Ziel an, dass die Drogeriemarktkettte als offenes, digitales Unternehmen arbeitet und „wie ein Start Up agiert“. Laut Helm „dreht sich unser Geschäft schneller als jemals zuvor“, alte Marken gingen unter, andere dagegen hätten sieben Leben. Die großen Online-Händler spielten, so Helm, nach eigenen Regeln, es ginge nur um „Preis, Preis, Preis“. Die Kunden würden aber anders ticken. Gerade durch die Corona-Pandemie hätten die Menschen gemerkt, „wie wichtig das emotionale Erlebnis ist“. Der Mehrwert für den Kunden gegenüber Amazon und Co sei die persönliche Beratung. Das Müller-Personal habe dazu nun mehr Zeit, weil 17 0000 digitale Preisetiketten Preisänderungen nun per Knopfdruck möglich machten. „Komfort ist die Droge der Zukunft“, meinte der CEO. Digitale Tools wie Apps seien ebenso wie Social Media eminent wichtig. „Online immer Präsenz, sonst keine Relevanz“, brachte es Helm auf den Punkt.
Christian Epple, Geschäftsführer und Chefkoch im Hotel-Restaurant Hirsch in Finningen, betonte, dass 1500 Events, die das Hirsch-Team jährlich bewältige, nur über digital gesteuerte Abläufe zu bewältigen seien. Ein Reservierungs-Tool erleichtere schon seit zehn Jahren die Organisation des Restaurantbetriebs. „Dadurch haben wir wieder mehr Zeit für den Gast“, so Epple. Ein Hotel und Restaurant seien aber wie ein lebendiger Organismus, der sich stets ändere. Man müsse sich ständig anpassen. Der Hirsch ist ein beliebtes Tagungshotel. Die Tagungen kämen nun wieder zurück, allerdings auch zum Teil als Stream. „Wir haben unsere Technik massiv aufgerüstet und können jetzt Tagungen im Hirsch und gleichzeitig im Stream für die Daheimgebliebenen anbieten“. Das ist in Finningen problemlos möglich, da der Teilort ans Glasfasernetz angebunden ist. Grundsätzlich gehe es in der Gastronomie um „essen, trinken, schlafen, also ganz elementare Emotionen für den Gast“, so Epple, der daher warnte bei allen technologischen Erleichterungen und Fortschritte „Kunden, Gäste und Mitarbeiter nicht zu überfordern“.
Josef Röll, Einzelhandel-Berater im Gesamtgebiet der IHK Ulm, wies darauf hin, dass Dienstleister, Handel und Gastronomie der Kern der Innenstädte seien. Nun gelte es, „analog und digital zu verbinden“. Hier sei die „digitale Sichtbarkeit“ wichtig. Doch daran hapere es, klagte Röll. So hätten beispielsweise im Raum Biberach „nur 57 Prozent der Gastronomiebetriebe eine eigene Homepage“. Auch im Bereich Social Media gebe es bei Handel und Gastronomie noch erheblichen Nachholbedarf. Die Kunden der Zukunft seien die jungen Leute, so Röll. Was die Städte aber dieser Generation derzeit böten, sei zu wenig.
Wolfgang Dieterich, Geschäftsführe der Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH, informierte, wie die Touristikexperten mit Newslettern und Social Media um Kunden für die Städte werben und diese zu binden versuchen. Als eine Software setze die UNT die E-Marketing-Suite des Ulmer Unternehmens Wilken ein und Gästeführungen werden mit einer neuen App unterstützt. Erschwernisse durch die Digitalisierung seien die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), ein verschärfter Datenschutz und Bildrechte. Dieterich: „Das ist aufwändig und teuer“. Die UNT wolle in Zukunft mehr Nachhaltigkeit erreichen und Chat Bots einsetzen. Neue Möglichkeiten durch neue Techniken sieht Dieterich auch im Bereich Streaming. „Wir können Kongresse jetzt auch für 3000 oder 5000 Personen anbieten, eben für 800 Leute vor Ort und den Rest im Stream“.
Jonas Baumgärtner, Jäger, Koch, Restaurantbesitzer und bekannt als „Der wilde Wirt“, macht „extrem viel Werbung online“. Instagram, Facebook und Homepage seien vernetzt, daher sei „der wilde Wirt immer präsent“. Baumgärtner hat sein Personal während der Pandemie vervierfacht auf 47 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Catering, Restaurant, Lieferdienste und auch Automaten mit schwäbischen Spezialitäten am Laufen hält. Derzeit sind drei Automaten in Betrieb, bald aber sollen es zehn sein. Damit diese auch gefunden werden, entwickelt Baumgärtner eine App. „Die zeigt dann an, wo ist der nächste Automat und wie ist dieser bestückt“. Geplant sei auch ein Onlineshop für Wildprodukte, hochwertige Convinience-Produkte für die Gastronomie wegen des gravierenden Personalmangels dort, erläuterte der 32-jährige Unternehmer, der als letzter Referent an diesem sehr aufschlussreichen Abend ebenfalls großen Beifall erhielt.