Die Jahresveranstaltung der initiative.ulm. digital. ist mittlerweile ein angesagtes Treffen, was sich erneut zeigte. Im schon lange vorher ausgebuchten Wiley Club im Oktober 2024 informierten sich 320 Persönlichkeiten über den aktuellen Stand in Sachen KI und Robotik. „Wenn sich Wirtschaft mit all ihren Facetten, Industriehandel, Dienstleistung, aber auch Handwerk mit der Wissenschaft, mit der Bürgerschaft, mit der Verwaltung und der Politik treffen, das ist ja schon was sehr Besonderes“, freute sich auch der Vereinsvorsitzende Heribert Fritz bei der Begrüßung der Gäste und Referenten. Manchmal sei es nicht leicht, Wissenschaftler zu sein, genauso wie es manchmal nicht so leicht sei, ein Unternehmer zu sein. „Mut, Motivation, Mitwachen ist das Thema. Das Glas ist halb voll, uns geht es nach wie vor gut“, leitete Fritz optimistisch zu den Keynote-Vorträgen über.
Die Jahresveranstaltung der Initiative Ulm Digital stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Künstlichen Intelligenz (KI) und Robotik. Zu diesem Thema boten im Wiley Club gleich drei absolute Fachleute eine geballte Ladung an Topinformationen.
Keynote-Sprecher Professor Patrick Glauner stellte in seinem Vortrag eindrucksvoll die Verbindungen dieser Technologien und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft vor. „KI und Robotik sind keine Synonyme, sondern zwei unterschiedliche Bereiche, die in Kombination unsere Gesellschaft revolutionieren werden“, erklärte Glauner
Die Bedeutung von KI ist in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt. Als Beispiel führte er die diesjährige Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos an, bei der KI eine entscheidende Rolle spielte. „Wenn das Thema KI dort dominant ist, bedeutet das etwas“, betonte Glauner.
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die Wissensgesellschaft stellte er klar: „Die Wissensgesellschaft wird nicht enden, sondern sich weiterentwickeln.“ Dabei spielt KI eine wichtige Rolle, indem sie Entscheidungen automatisiert und Menschen produktiver macht. „Es geht nicht um KI gegen die Menschen, sondern um KI mit dem Menschen“, sagte Glauner. Dies sei entscheidend, um dem Fachkräftemangel und den demografischen Herausforderungen zu begegnen.
In seinen Ausführungen zur Robotik zeigte er auf, wie KI in Verbindung mit Robotik beispielsweise in autonomen Fahrzeugen oder in der Pflege zum Einsatz kommt. „Robotik wird uns helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, vor allem in der Pflege“, so Glauner. Er verwies auf ein Forschungsprojekt seiner Hochschule, bei dem ältere Menschen durch Sensorik und später auch durch Robotik unterstützt werden sollen, um länger eigenständig zu Hause leben
Ein kontroverses Thema, das Glauner ebenfalls ansprach, war der militärische Einsatz von KI und Robotik. Obwohl er die Ängste in der Gesellschaft versteht, betonte er die Notwendigkeit, sich auch mit diesen Anwendungen auseinanderzusetzen. „Es geht nicht nur um die Kampfroboter, sondern auch um KI in der Logistik und im Training, um Leben zu schützen“, erklärte er.
Abschließend warnte Glauner vor den internationalen Entwicklungen, insbesondere in China, wo KI-getriebene Innovationen bereits weit fortgeschritten sind. „Wenn wir weiterhin an der Spitze bleiben wollen, müssen wir uns intensiv mit KI und der Kombination mit Robotik beschäftigen“, forderte er.
Professor Dr. Andreas Zell von der Uni Tübingen berichtete von Projekten, bei denen Forschung und KI und Robotik wirtschaftlichen Nutzen bringen. Etwa Drohnen, die über Felder fliegen und analysieren, ob das Feld von Pilzen befallen ist – bevor dies der Mensch überhaupt erkennen kann. Interessant sei auch, wie der Mensch mit einem Roboter interagieren kann, beispielsweise mit einer Augmented-Reality-Brille, die auch ein iTracking-System hat. In Zukunft werde es immer kleinere Brillen geben, die aber eine ähnliche Funktionalität wie die heutigen großen Brillen haben. Er zeigte auch einen Tischtennis spielenden Roboter, mit dem man „schätzungsweise weltweit zu den Top 3“ zähle. Ein Unternehmen aus der Region habe einen Transporter entwickelt mit einem Laserscanner plus einer Kamera, die auch Entfernungen schätzen kann. Nun lässt sich genau erkennen, „ob ein Hindernis groß genug ist, dass er drüberfahren kann oder nicht“.
Auch Pistenbullys können KI und Robotik einsetzen, indem sie Personen auch bei leichtem Schneefall oder Nebel erkennen. Die Robotik ermögliche es heute auch, Schachfiguren zu greifen und echtes Robotik-Schach zu spielen. „Der spielt so gut, dass sie dann gegen den nicht mehr gewinnen können. Sie können bloß die Figuren umschmeißen, dann hat er Probleme“, berichtete Zell.
Mit dem Optimus-Roboter von Tesla sei gegenwärtig mit der interessanteste und leistungsfähigste Humanoidenroboter im Einsatz, weil da auch sehr viel Geld und Manpower reingesteckt wird.
Roboter und KI. Warum ist das jetzt plötzlich interessant geworden? Es gebe mittlerweile sehr gute Simulatoren für Roboter. „Wenn ein Roboter etwas lernt, können das gleich auch 10.000 Roboter“. Seit Neuestem hätten die Roboter Sprachfähigkeiten und Sprachverständnis. Sie könnten auch gesprochene Kommandos interpretieren. Ob sie dann das Richtige damit machen, sei dann aber die nächste Frage. Momentan könnten Roboter mit diesen vielen Daten noch nicht perfekt umgehen. Aber Roboter mit hochentwickelten KI-Fähigkeiten könnten fühlen. „Die können mit zwei Händen greifen, die haben Sprachfähigkeit und Sprachverständnis. Sie sind lernfähig, weil sie eine große Wissensbasis haben können mit diesen Large Multi-Model Models, also ChatGPT ähnlichen Systemen“.
Diese Roboter haben laut Professor Zell ein „gigantisches Potenzial für große Produktivitätssteigerungen, sind aber auch ein großes Risiko für Arbeitsplätze. Wobei die Leute, die diese Roboter haben, deren Arbeitsplätze sind eher sicherer als für die Leute, die die Entwicklung verpasst haben“.
Carolin Richter leitet eine neue Abteilung bei BMW, die sich weltweit mit der Entwicklung und Anwendung fortschrittlicher Robotik und Automatisierung in der Automobilproduktion beschäftigt. Ihr Schwerpunkt liegt auf KI-gestützten Technologien, einschließlich humanoider Roboter. Sie betonte in ihrem Vortrag die Bedeutung der Digitalisierung und den Masterplan der BMW Group, bekannt als iFactory, zur Optimierung von Produktionsprozessen durch Data Analyse.
Richter beschrieb, dass die Nutzung von KI in der Robotik nicht neu ist, aber die Entwicklung generativer KI neue Möglichkeiten eröffnet. Die Vision sei, dass zukünftige Roboter nicht mehr programmiert werden müssen, sondern sich autonom trainieren können, zum Beispiel durch Sprachbefehle und Beobachtungslernen. Diese Entwicklung strebt die BMW Group an.
Carolin Richter berichtete, dass sich die Robotik-Landschaft schnell entwickelt, insbesondere durch neue Akteure wie Elon Musk mit seinem Projekt Optimus, das einfache Pick-and-Place-Aufgaben übernimmt. Diese Technologie könnte viele Anwendungsfälle in der Autoindustrie übernehmen.
BMW hat eine Partnerschaft mit einem US-Unternehmen in San Francisco geschlossen, um an ersten Anwendungsfällen zu arbeiten. Der erste Use Case konzentriere sich auf die Automatisierung des Einlegens von Blechteilen in Maschinen im Karosseriebau, einem Bereich, der sich gut für Automatisierung eignet. Es habe Herausforderungen, aber auch Fortschritte gegeben, wie die Fähigkeit der Roboter, unbekannte Bauteile autonom zu verarbeiten, so Richter.
Ein zentrales Thema bei der Zusammenarbeit mit der US-Firma sei die Bedeutung von Daten für das Training der Roboter. Richter hob hervor, dass viele Unternehmen, die Roboter entwickeln, noch unsicher seien, wie sie die gesammelten Daten nutzen können. Der Erfolg von Robotern hänge stark von der Qualität und dem Verständnis der Daten ab.
Richter sieht eine spannende Zukunft für die Robotik bei BMW und betonte in ihrem höchst interessanten Vortrag, dass der Weg zur vollständigen Automatisierung noch viele Herausforderungen mit sich bringe, insbesondere auch im Hinblick auf die Arbeitssicherheit und die Integration in bestehende Produktionssysteme. „BMW wird die gesammelten Erkenntnisse nutzen, um die Robotik weiter zu erforschen“, versicherte Carolin Richter.
Vernetzung und Kooperation entscheidend, um wettbewerbsfähig zu bleiben
Mit der Frage „‚Robotik – Fluch oder Segen? – Übernehmen mit Künstlicher Intelligenz KI gefütterte Roboter das Kommando?“ beschäftigte sich die anschließende Podiumsdiskussion, die von der TV-Moderatorin Kirsten Girschick geleitet wurde. Experten und Vertreter unterschiedlicher Branchen sprachen über den aktuellen Stand und die Herausforderungen im Bereich Künstliche Intelligenz und Robotik. Professor Patrick Glauner betonte, dass KI-Systeme nicht von selbst agieren würden. „Generäle und Minister wollen keine autonomen Killer-Roboter, da diese sich gegen die eigenen Truppen richten können“, erklärte er. Er plädierte dafür, KI nach menschlichen Werten zu gestalten. Professor Andreas Zell fügte hinzu, dass es möglich sei, Systeme sicher zu machen, bezweifelte jedoch, dass dies bei Militärrobotern automatisch der Fall sei.
Carolin Richter von BMW beschrieb, wie die Maschinenrichtlinien in Deutschland abschreckend auf US-amerikanische Robotikunternehmen wirken könnten. Sie betonte jedoch, dass das BMW-Produktionssystem weltweit die gleichen Sicherheitsstandards einhalte, auch in Ländern mit weniger strengen Vorschriften.
Roland Eisenlauer, Geschäftsführer von Zwick-Roell, lobte die Fortschritte in der Robotik, insbesondere für kleinere Unternehmen. „Robotik erleichtert es auch Mittelständlern, selbst im Handwerk oder in der Gastronomie, ihre Aufgaben zu automatisieren“, erklärte er. Er stellte einen von seinem Unternehmen entwickelten Roboterarm vor, der einfache Prüfaufgaben übernimmt.
Im kommunalen Bereich wies der Ulmer Oberbürgermeister Martin Ansbacher darauf hin, dass Roboter bisher noch nicht zur Verwaltung von Städten eingesetzt werden, man jedoch erste Projekte, wie einen digitalen Begleiter zur Sicherheit im öffentlichen Raum, teste. Auch der Einsatz von Robotern in Bibliotheken und anderen städtischen Gebieten sei Teil dieser Bemühungen. Die Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger hob die großen Erfolge der Robotik-AG des Lessing-Gymnasiums Neu-Ulm bei internationalen Robotik-Wettbewerben hervor. Die von den Schülerinnen und Schülern programmierten Fußball-Roboter siegen regelmäßig bei Welt- und Europameisterschaften.
Hervorgehoben wurde in der Diskussion auch die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Außerdem wurde auf die großen Herausforderungen im Umgang mit KI hingewiesen. Trotz guter Netzwerke und Zusammenarbeit im Mittelstand betonte Professor Glauner, dass die deutsche Bürokratie oft ein Hindernis für die Forschung sei.
Carolin Richter erläuterte, dass die chinesischen Hersteller immer noch auf deutsche Expertise setzen, jedoch durch massive staatliche Investitionen und Subventionen einen enormen Innovationsschub erlebten. „Die Chinesen kommen immer schneller als Innovatoren.“
Im Bereich der KI-basierten Robotik sahen die Fachleute auf dem Podium in den nächsten zehn Jahren großes Potenzial, vor allem in der Produktion und in Bereichen mit akutem Fachkräftemangel, wie der Daseinsvorsorge, dem öffentlichen Raum und der Pflege. Stationäre Roboter und autonome Systeme könnten Aufgaben effizienter bewältigen, während humanoide Roboter eher Showcases bleiben. Die Automatisierung könnte besonders in Bereichen wie Reinigung, Verkehrsinfrastruktur und Sicherheit entscheidend werden. Trotz dieser Chancen bleibe aber die ethische Dimension der KI-Nutzung sehr wichtig, waren sich alle Fachleute auf dem Podium einig.
Einig war man sich auch, dass KI und Robotik in den kommenden Jahren großen Einfluss auf die Gesellschaft haben werden, insbesondere in Bereichen, die unter Fachkräftemangel leiden. Die industrielle Entwicklung werde hierbei eine Vorreiterrolle spielen und anderen Sektoren den Weg ebnen.
Die Diskussion endete mit der Feststellung, dass die weitere Entwicklung von KI und Robotik in Deutschland maßgeblich von der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichen Institutionen abhängt. „Vernetzung und Kooperation sind entscheidend, um international wettbewerbsfähig zu bleiben“.
Digitalinitiative arbeitet an sicherer KI
Vorstandsmitglied Andreas Buchenscheit informierte die Gäste mit einem kurzen Vortrag über ein neues Projekt der initiative.ulm.digital. Der Verein arbeitet aktuell an einer KI, die viel kann, vor allem aber sicher sein soll. Weitere Informationen über das Projekt sollen in den nächsten Monaten folgen.
Info-Stände der geförderten Projekte im Wiley Club
Alle von unserer Initiative geförderten Projekte sowie unser Verein selbst präsentierten sich jeweils mit einem Rollup-Info-Stand. Die Besucher konnten sich im Detail und bei fachkundigen Ansprechpartnern informieren über LoRaWAN mit LoRaPark, Einstein Motorsport (Technische Hochschule Ulm), Daheim.Dank.Digital(AGAPLESION Bethesda Klinik Ulm), KICU (Künstliche Intelligenz Campus Ulm) und Robotik AG am Lessing-Gymnasium Neu-Ulm und über ein Sponsoring nachdenken.
Infos und Networking
Unsere Jahresveranstaltung war erneut auch ein Treffen prominenter und hochrangiger Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Daher war unsere Veranstaltung auch diesmal wieder eine gute Gelegenheit zum entspannten Networken in stilvollem Ambiente bei Fingerfood und Jazzmusik mit Lea Knudsen & Kollegen.